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„Es geht um Freiheit – sich aufzurappeln und vorwärts zu gehen.“

„Das hier ist die Antithese zu unserer letzten Platte – während es da um Herzschmerz ging, geht es auf diesem Album um Freiheit, darum, sich aufzurappeln und vorwärts zu gehen“, sagt Jungle-Produzent und Multiinstrumentalist Josh Lloyd-Watson gegenüber Apple Music. „Es ist ein Album, das Menschen zusammenbringen soll – fröhliche Melodien, die die Leute befreien.“ Lloyd-Watson ist die eine Hälfte des Londoner Produktionsduos Jungle, sein Jugendfreund Tom McFarland die andere. Mit ihrem für den Mercury Prize nominierten selbstbetitelten Debütalbum und vor allem dank der allgegenwärtigen Single „Busy Earnin’“ wurden die Produzenten 2014 schlagartig bekannt. Sie etablierten sich schnell als Hookwriter-Maestros, die mit ihren siebenköpfigen Live-Band-Performances und komplizierten Arrangements dem warmen Mahagoni-Schimmer des 1960er-/70er-Jahre-Soul einen verchromten Schliff verliehen.

Ihr drittes Album „Loving In Stereo“, der Nachfolger des 2018er-Werks „For Ever“, transportiert ihre Melodien direkt auf die Tanzfläche: mit stampfenden Drum-Breakbeats wie in „Talk About It“, treibendem Disco-Funk wie bei „Keep Moving“ und durch Kollaborationen mit dem Rapper Bas („Romeo“) sowie der Sängerin Priya Ragu auf dem Jazz-beeinflussten „Goodbye My Love“. Hier gibt Lloyd-Watsons Track für Track Einblick in die Gedanken hinter dem Album.

„Dry Your Tears“
Dieser Song war ursprünglich im Mittelteil einer B-Seite namens „Don’t You Cry Now“. Es war eines der letzten Stücke, das auf das Album kam, und ist eine Ouvertüre gegen Selbstmitleid. Der Gesang ist zart und traumgleich, als ob man aus einem schlechten Traum aufwacht, und die Streicher führen einen ganz leicht in das Album hinein. Sie lassen einen aber auch hinterfragen, was genau wir eigentlich hören werden.

„Keep Moving“
Diese Streicher gehen dann über in „Keep Moving“, einen typischen Jungle-Track. Es ist ein Song, den wir schon seit „Busy Earnin’“ machen wollten – er ist fast wie ein älteres Geschwisterkind dazu. Es geht darum, weiterzumachen und harte Zeiten zu überstehen: ein Mantra, sich nicht zu viele Sorgen zu machen und stattdessen hoffnungsvoll zu sein.

„All Of The Time“
Bei diesem Track spukte uns immer die Vorstellung im Kopf herum, wie es wohl klingen würde, wenn eine Band aus den 60er- oder 70er-Jahren Garage-Beats aus der Zukunft gehört hätte, sie dann aber auf akustischen Instrumenten spielen würde. Es fühlt sich an wie ein Sample, ist aber keiner. Wir waren schon immer besessen von Dingen, die alt klingen, aber neu sind. Es soll ein super erhebender Track sein – mit diesem Gospel-Feeling im Refrain, der einfach pure Euphorie ausstrahlt.

„Romeo“ (feat. Bas)
Wir haben Bas vor ein paar Jahren auf einem Festival auf Coney Island getroffen. Er preschte mit einer unglaublichen Energie hinter die Bühne und wir kamen ins Gespräch. Uns geht es um Elemente, die persönlich sind und die passieren, weil sie einfach vorbestimmt sind. Wir waren in den Church Studios in Crouch End und Bas schrieb eine SMS, dass er in London sei. Er kam einfach vorbei. Wir machen viel Hip-Hop und arbeiten mit diesen Beats, es ist wirklich toll, dass nun auch diese Seite von uns zu hören ist.

„Lifting You“
Diesen Beat habe ich gemacht, aber er hätte eigentlich gar nicht auf dem Album sein sollen. Ich erinnere mich, dass ich ihn an eine Reihe von Künstler:innen geschickt habe und sie ihn wirklich mochten. Letztlich ist aber nichts daraus geworden. Eines Tages habe ich mich hingesetzt und einen Gesangs-Track geschrieben. Wir haben dazu gesungen und es fühlte sich einfach sehr unbeschwert an. Diese Moog-Synthesizer-Bassline, die dem Ganzen eine etwas clubigere Note verleiht, ist von KAYTRANADA inspiriert. Es gibt auch psychedelische Einflüsse und einen beflügelnden Refrain, der den Song in eine andere Dimension hebt.

„Bonnie Hill“
„Bonnie Hill“ ist das älteste Stück auf der Platte. Es wurde während des zweiten Albums in Bonnie Hill geschrieben, einem Ort in den Hügeln von Los Angeles. Wir hatten diesen Beat schon eine Weile in petto und er traf auf eine Melodie, die auch bei uns herumschwirrte. Uns stand diese 12-köpfige Streicher- und Bläsersektion in den Church Studios zur Verfügung. Also fügten wir eine Jazzflöte sowie ein Saxophon hinzu, die den Track zum Leuchten brachten. In Jungle-Songs gibt es nicht viele Soli, das hier war also wirklich aufregend.

„Fire“
Dies war einer der ersten Tracks, der die Richtung des Albums vorgab. Es ist ein frei fließendes Stück, das in gut einer Stunde zustande kam. Wir hatten gerade diesen neuen Profiling-Verstärker bekommen und damit angefangen, jede Menge Synthesizer durchzuschleifen, um die Grenze zwischen Elektronik und Bandsound zu verwischen. Es ist also eher ein Klangexperiment. Wir stellen uns unsere Musik gern als Untermalung von etwas vor. Hier fühlt es sich so an, als könnte sie eine Verfolgungsjagd oder einen Raubüberfall in einem Film untermalen. Es ist ein bisschen chaotisch, und genau das lieben wir daran.

„Talk About It“
Als wir gerade im Studio in L.A. waren, befand sich auch Produzent Inflo in der Stadt. Wir begannen einfach zu jammen und das kam dabei heraus. Die Drums erinnern an „Town Called Malice“ [von The Jam] oder The Stone Roses. Es ist wieder einer dieser Songs, der sich anfühlt, als hätte man Teile aus verschiedenen Epochen genommen und dann alles zusammengefügt. Wir wollten den Drum-Breakbeat beibehalten, mit dem alles begann. Er sollte ohne Veränderung bis zum Ende in seiner ursprünglichen Form bleiben.

„No Rules“
Das hier ist ein Stück, das aus Spaß an der Musik gemacht wurde, es hätte eigentlich gar nicht auf dem Album sein sollen. Es ist wie eine Synthie-Odyssee und hat auch diese Kraft. Wir leben in dieser sich ständig weiterentwickelnden Welt von „1984“, der Track ist sozusagen eine Rebellion gegen staatliche Kontrolle und Überwachung.

„Truth“
Dieser Song ist am weitesten von dem entfernt, was Jungle ist. Wir folgten der Idee, dass wir alles akzeptieren, was im Studio passiert. Und plötzlich ging alles ganz schnell. Früher haben wir viel Indie-Rock gehört, der Mitte der 2000er-Jahre die Charts dominiert hat: Bands wie The Thrills und The Strokes und Kings of Leon. Diese Einflüsse sind auch im Track enthalten, was für uns sehr nostalgisch ist. Es ist ein Song über die Erkenntnis, dass man jemanden liebt. Es geht aber auch um die Frage, wie man die Vertrauensprobleme am Anfang einer Beziehung überwindet, um letztlich zu erkennen, dass man nur mit dieser einen Person zusammen sein will.

„What D’You Know About Me?“
Von ESG inspiriert, ist das hier der schnellste Track, den wir je gemacht haben. Er verkörpert die Wut und die Leidenschaft, die diese Platte in sich trägt. Es gibt eine dunkle Seite, die auch „No Rules“ hat – auch hier geht es um Überwachung und Leute, die zu viel über dich wissen. Wir fragen spielerisch: „Was wisst ihr über mich?“ Es trägt diesen krassen Stolz in sich.

„Just Fly, Don’t Worry“
Die beiden vorangehenden Tracks sind ziemlich intensiv. Also wollten wir, dass dieser Song den Übergang zum Ende des Albums einleitet. Ursprünglich war er viel länger, aber jetzt ist er wie ein musikalisches Sorbet, das einem genau den Zwischengeschmack gibt, den man braucht. Es ist eine Mischung aus Dub und Funk, was den Groove und das Feeling angehen. Wir machen diese Musik aus Spaß an der Freude: Was uns gefiel und womit wir uns verbunden fühlten, kam auf die Platte, wir haben uns dabei nicht am Geschmack anderer orientiert.“

„Goodbye My Love“ (feat. Priya Ragu)
Wir hatten den ganzen Tag in Guy Chambers’ Studio in London an einem anderen Song geschrieben. Er hat dort erstaunliches Equipment wie ein altes Cembalo und ein Vibrafon. Unsere Zeit ging allmählich zu Ende und wir wollten sehen, ob wir diese Klänge zu etwas Neuem zusammenfügen können. Priya hat eine fantastische Stimme mit einem unglaublich reinen Klang und wir wollten sie in einem frei strömenden Bewusstseinsfluss festhalten. Es war nicht als Jungle-Track gedacht, wir machten es einfach für uns. Aber dann hatten wir das Gefühl, dass es auf die Platte gehört.

„Can’t Stop the Stars“
Wir versuchen, unsere Platten mit etwas opulent Filmischem abzuschließen. Ich erinnere mich daran, wie ich diese Streicher im Studio hörte. Sie sind so überwältigend – selbst heute noch sind die letzten 16 oder 32 Takte der Musik extrem emotional. Sie bringen uns zurück zu diesem Gefühl, jung und frei sein zu wollen. Es geht um jemanden in deinem Leben, der dir sagt, dass du dir keine Sorgen machen musst, eben weil du die Sterne nicht aufhalten und somit nicht alles im Leben kontrollieren kannst. Je mehr du loslässt, desto freier bist du letztlich.

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Nr. 75 in Top Alben > Electronic